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Key Facts
Haben Sie im letzten Jahr unter Kopfschmerzen gelitten? Dann sind Sie damit nicht alleine. Die WHO geht davon aus, dass etwa 50 Prozent aller Erwachsenen mindestens einmal im Jahr davon betroffen sind.
Auch von der Spezialform Migräne sind Schätzungen zufolge weltweit eine Milliarde Menschen betroffen. In Deutschland liegt der Anteil laut Robert Koch-Institut unter den Männern bei 6,0 Prozent. Bei Frauen ist der Anteil der Betroffenen mit 14,8 Prozent sogar mehr als doppelt so hoch.
Bei Betroffenen von sekundären Kopfschmerzen gilt eine andere Erkrankung als Ursache für die Schmerzen. Infektionen, psychische Krankheiten, Zahnfehlstellungen, Blutdruckerkrankungen oder Unverträglichkeiten von Medikamenten sind einige der möglichen Gründe für sekundäre Kopfschmerzen.
Bei primären Kopfschmerzen ist keine Begleiterkrankung für die Kopfschmerzen verantwortlich. Dazu gehören:
Während die Entstehung von primären Kopfschmerzen schwerer nachzuvollziehen ist, scheinen zusätzliche Faktoren auch hier eine Rolle zu spielen. So können primäre Kopfschmerzen durch folgende Faktoren ausgelöst oder verstärkt werden:
Bei Migräne können ganz individuelle Auslöser (sog. “Trigger”) wie etwa Veränderungen im Tagesrhythmus hinzukommen. Teilweise spielen auch Hormonschwankungen eine Rolle, wie sie etwa vor der Menstruation auftreten. Frauen sind dementsprechend zwei- bis dreimal häufiger von Migräne betroffen. Eine mögliche Linderung können hormonelle Verhütungsmethoden wie die Pille verschaffen. Deren Langzeiteinnahme kann jedoch andere Risiken bergen.
In jedem Fall kann ein Kopfschmerzkalender dabei helfen, Ihre Trigger zu identifizieren. Auf der Seite der deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft finden Sie einen Kopfschmerzkalender zum Download.
Der sogenannte Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜK) ist für viele Personen mit primären Kopfschmerzen kein Fremdwort. Auch als medikamenteninduzierter Kopfschmerz oder Rebound-Kopfschmerz bekannt, kann er immer dann entstehen, wenn Betroffene bei einer bestehenden primären Kopfschmerzerkrankung regelmäßig Medikamente gegen Kopfschmerzen einnehmen.
MÜK macht sich dadurch bemerkbar, dass Kopfschmerzen länger anhalten, öfter auftreten oder immer mehr Kopfschmerzmedikamente benötigt werden. Der genaue Mechanismus dahinter ist noch nicht abschließend geklärt.
Laut Deutscher Gesellschaft für Neurologie leiden weltweit 0,7 bis 1 Prozent der Bevölkerung unter medikamenteninduzierten Kopfschmerzen. Das würde in Deutschland bis zu 800.000 Personen entsprechen.
Eine Untersuchung der Washington State University kam 2019 zu dem Schluss, dass das Inhalieren von Cannabis Kopfschmerzen und Migräne in der Wahrnehmung der Betroffenen um fast 50 Prozent lindern könnte.
Die Forschenden hatten zuvor eine Big-Data-Analyse durchgeführt, für die sie Daten von Strainprint, einer App zum Tracking der Anwendung von medizinischem Cannabis, auswerteten. Sie untersuchten Informationen von 1.300 Usern. Diese hatten mithilfe der App insgesamt über 12.200-mal ihre Kopfschmerzen getrackt. Auch 653 Migräne-Patient:innen fanden sich unter den Usern, die insgesamt über 7.400-mal die Schwere ihrer Migräne aufgezeichnet hatten.
Laut den per App generierten Nutzer:innendaten konnte die Inhalation von Cannabis bei Kopfschmerzen die Beschwerden der Betroffenen nach deren eigenem Empfinden um 47,3 Prozent lindern. Bei Migränepatient:innen wurde ein Rückgang von 49,6 Prozent verzeichnet.
Kein signifikanter Unterschied in der Schmerzbekämpfung konnte zwischen verschiedenen Cannabissorten mit unterschiedlichen Leveln und Verhältnissen von CBD und THC ausgemacht werden. Die Macher der Studie sehen darin Grund zur Annahme, dass andere Cannabinoide oder in der Hanfpflanze erhaltene Terpene ausschlaggebend für eine mögliche Wirkung von Cannabis bei Kopfschmerzen und Migräne sein könnten.
Allerdings: die Teilnehmer:innen der Studie, allesamt geübte User der Cannabis-App, waren mutmaßlich tendenziell eher offen, was den Einsatz von medizinischem Cannabis betrifft. Eine gewisse Befangenheit lässt sich daher nicht ausschließen. Die Forscher betonten daher die Notwendigkeit weiterer, placebokontrollierter klinischer Studien.
In einer US-amerikanischen Review nahmen Forscher:innen 34 Veröffentlichungen zum Thema „Kopfschmerzen Cannabis“ sowie „Migräne Cannabis“ genau unter die Lupe. Auf Basis der Auswertungen kamen Sie zu dem Schluss, dass der Konsum von medizinischem Cannabis die Dauer und Häufigkeit von Migräne sowie von Kopfschmerzen unbekannten Ursprungs verringern kann.
In allen einbezogenen Studien fanden die Forscher Hinweise auf die therapeutische Wirkung von medizinischem Cannabis zur Linderung von Migräne. Zu den kurzfristigen Effekten gehörte nach Angaben der Wissenschaftler:innen unter anderem die Verringerung der Einnahme von Schmerzmitteln und eine Abnahme der Schmerzintensität. Nach langfristigem Konsum von Cannabis hätten einige Patienten angegeben, dass sich ihr Gesundheitszustand – physisch wie psychisch – anhaltend verbessert habe.
Basierend auf dem Resultat ihrer Auswertungen schätzten die Macher der Studie die Forschung zum Thema Cannabis gegen Kopfschmerzen und Migräne derzeit als unterrepräsentiert ein. So seien weitere Forschungen nötig, um besonders geeignete Verabreichungsformen, Dosierungen und die spezielle Eignung einzelner Sorten für die Behandlung von Migräne und chronischen Kopfschmerzen zu ermitteln sowie mögliche langfristige Auswirkungen des medizinischen Cannabiskonsums zu untersuchen.
Sofern Cannabis gegen Migräne als Behandlungsoption in Frage kommt, stellt sich die Frage, welche Rolle der MÜK hier spielt – also ob Kopfschmerzen durch Cannabis ebenfalls verursacht werden können. Bisher ist die Studienlage hier noch nicht eindeutig.
So stellte eine Studie einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Verwendung von medizinischem Cannabis, chronischer Migräne und dem Auftreten von MÜK fest: Von den 368 Patient:innen mit chronischer Migräne litten 81 Prozent derjenigen, die Cannabis verwendeten, unter MÜK. In der Gruppe jener, die ihre Kopfschmerzen nicht mit Cannabis behandelten, lag der Wert nur bei 41 Prozent.
Um mögliche Abhilfe zu schaffen, rieten die Forscher:innen den Personen, die gegen chronische Migräne Cannabis verwenden und unter MÜK leiden, den Cannabiskonsum zu reduzieren.
Weitere Studie zum Thema „Cannabis und MÜK“
Auf der anderen Seite wurde Nabilon, eine synthetische Form des Cannabinoids THC, in einer doppelblinden, kontrollierten und randomisierten Studie zur Behandlung hartnäckiger MÜK eingesetzt. Hier war Nabilon im Vergleich zu Ibuprofen besser in der Lage, die Schmerzintensität und die tägliche Einnahme anderer Schmerzmittel zu reduzieren.
Im Gegensatz zu Ibuprofen sei Nabilon außerdem in der Lage gewesen, den Grad der Medikamentenabhängigkeit zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern, so die Forscher:innen. Nebenwirkungen seien selten und leicht gewesen und mit dem Absetzen von Nabilon verschwunden. Als Einschränkung der Aussagekraft der Studie gilt die geringe Teilnehmerzahl von 26 Personen.
Da noch nicht abschließend geklärt ist, wie sich der Einsatz von Medizinalcannabis bei Migräne oder anderen Kopfschmerzen zu MÜK verhält, sollten Sie die Dosierung in jedem Fall mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin absprechen und eine möglichst niedrige Dosierung anstreben.
Während es Hinweise gibt, dass medizinisches Cannabis Migräne und andere Kopfschmerzen lindern könnte, ist das Thema Cannabis bei Schmerzen noch nicht ausreichend erforscht, um allgemeingültige Aussagen treffen zu können.
Wenn Sie unter Migräne oder einer anderen Art von Kopfschmerz leiden und die Behandlung mit Medizinalcannabis in Betracht ziehen, sollten Sie dies unbedingt mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer behandelnden Ärztin besprechen. Gegebenenfalls können Sie sich dann Cannabis als Medizin auf Rezept verordnen lassen.
Auf dem Cannabisrezept wird die Darreichungsform und, sofern es sich um Cannabisblüten handelt, auch die medizinische Cannabissorte angegeben. Das Cannabis Rezept einlösen können Sie ganz einfach in einer Apotheke vor Ort oder einer Online-Apotheke.
Quellen:
Migräne und Spannungskopfschmerz in Deutschland. Prävalenz und Erkrankungsschwere im Rahmen der Krankheitslast-Studie BURDEN 2020 (Porst, Wengler et al., 2020)
Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Neurologie: Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln (Medication Overuse Headache = MOH)
Cannabis reduces headache and migraine pain by nearly half (2019)
Medical Cannabis, Headaches, and Migraines: A Review of the Current Literature (Poudel, Quinonez et al., 2021)
Medication overuse headache in patients with chronic migraine using cannabis: A case-referent study (Zhang, Woldeamanuel, 2021)
Nabilone for the treatment of medication overuse headache: results of a preliminary double-blind, active-controlled, randomized trial (Pini, Guerzoni et al., 2012)
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