Cannabis gegen Krebs? Die derzeitige Studienlage

Cannabis als Medizin wird von Ärzt:innen meist erst in Betracht bezogen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Als begleitende Maßnahme zu einer Krebstherapie wird es in medizinischen Fachkreisen dagegen schon länger akzeptiert. So könnte Cannabis bei Krebs etwa Schmerzen lindern, den Appetit anregen und durch die Chemotherapie verursachter Übelkeit entgegenwirken.

Inhalt

Key Facts

  1. Dass der Einsatz von Cannabis bei Krebs etwa Schmerzen und Übelkeit lindern kann, gilt als weitgehend gesichert.
  2. Studien, nach denen Cannabis gegen Krebs helfen könnte, haben derzeit aber noch keine nennenswerte Aussagekraft. 
  3. Es bedarf einiger weiterer Forschung, um die Frage nach einem Einsatz von Cannabis gegen Krebs zu beantworten.

Cannabis als Medizin wird von Ärzt:innen meist erst in Betracht bezogen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Als begleitende Maßnahme zu einer Krebstherapie wird es in medizinischen Fachkreisen dagegen schon länger akzeptiert. So könnte Cannabis bei Krebs etwa Schmerzen lindern, den Appetit anregen und durch die Chemotherapie verursachter Übelkeit entgegenwirken.

Ob Cannabis gegen Krebs helfen könnte, also in der Lage wäre, das Tumorwachstum potenziell zu reduzieren oder sogar zu unterdrücken, steht auf einem gänzlich anderen Blatt: Obwohl erste Studien Hoffnung versprechen, liegt keineswegs eine gesicherte Faktenlage vor.

Die Verwendung von Cannabis bei Krebs in Deutschland

Mit der Cannabis Legalisierung zu medizinischen Zwecken begann im März 2017 eine fünf Jahre andauernde Begleiterhebung. In diesem Zeitraum müssen Ärzt:innen bei der Verschreibung von Cannabis anonymisierte Daten an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übermitteln. Von der Begleiterhebung erhofft sich der Staat ein besseres Verständnis zu den Wirkungen und Nebenwirkungen von Cannabis.

Zwischenergebnisse der Begleiterhebung zu Dronabinol wurden im März 2021 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht. Bei Dronabinol handelt es sich um ein cannabinoidbasiertes Arzneimittel, das teilsynthetisches THC enthält und in Deutschland als sogenanntes Rezepturarzneimittel zugelassen ist. Da Dronabinol Übelkeit und Erbrechen lindern kann, wird es unter anderem Krebspatient:innen verordnet.

Unter den 6.485 Patient:innen, denen zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung Dronabinol verschrieben worden war, befanden sich 1.473 Personen mit der Hauptdiagnose Krebs. Bei jeder/m vierten Krebspatient:in trat eine deutliche Verbesserung der Schmerzen ein. Zusätzlich konnte bei über 40 Prozent eine moderate Verbesserung beobachtet werden. In den übrigen Fällen blieb der Zustand unverändert – der Anteil derer, bei denen sich eine moderate oder deutliche Verschlechterung einstellte, blieb bei insgesamt unter fünf Prozent. 

Auch in Sachen Gewichtsverlust, Übelkeit und Spastiken konnten bei den Krebspatient:innen überwiegend positive Ergebnisse verzeichnet werden.

Quelle: Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung zu Dronabinol

Wie wird Cannabis bei Krebs angewandt?

Wenn Cannabis bei Krebs verschrieben wird, ist Dronabinol laut Zwischenstand der Begleiterhebung mit Abstand die häufigste Wahl. Für das Medikament, das als Rezepturarzneimittel in der Apotheke angemischt werden muss, stehen verschiedene Darreichungsformen von Cannabis zur Auswahl: Als ölige Lösung wird es in Form von Tropfen oder Kapseln eingenommen. Wurde das Dronabinol dagegen in Alkohol gelöst, wird es von Patient:innen in einem Vaporizer verdampft.
Wenn Cannabis bei Krebs verordnet wird, kommt außerdem die Verschreibung von Cannabisblüten infrage. Hier steht eine Reihe an medizinischen Cannabissorten mit unterschiedlichen Cannabinoid- und Terpenprofilen zur Verfügung. Begleitend zur Krebstherapie wird aber auch Sativex® eingesetzt, ein Mundspray, das sowohl CBD als auch THC enthält.

Hilft Cannabis gegen Krebs? Der aktuelle Stand der Wissenschaft

Obwohl einige Studien auf eine potenzielle Wirkung von Cannabis gegen Krebs hindeuten, reichen die Ergebnisse bei Weitem nicht aus, um eine eindeutige Aussage zu treffen.

Unter anderem veröffentlichten deutsche Wissenschaftler:innen 2021 eine Studie zu Cannabis gegen Krebs in der Fachzeitschrift „Neuro-Oncology“. An Tumorzellen hatten sie beobachtet, dass das Protein NF-κB – unter anderem zuständig für das Wachstum primärer Hirntumore – durch das Cannabinoid CBD in einen Tumorhemmer umgewandelt werden konnte.

Ebenfalls 2021 erschien eine Untersuchung zu Cannabis gegen Krebs im „British Journal of Cancer“. Die 27 Teilnehmer:innen litten unter dem ersten Rückfall eines Glioblastoms, eines der bösartigsten und häufigsten primären Hirntumore. Während alle Personen eine Chemotherapie erhielten, wurde begleitend entweder Sativex oder ein Placebo verabreicht. Ein Jahr später waren 83 Prozent der Sativex-Gruppe, aber nur 44 Prozent der Placebo-Gruppe noch am Leben. Eine größer angelegte Studie zur weiteren Untersuchung der Ergebnisse befindet sich in Planung.

Warum die derzeitige Studienlage zu Cannabis gegen Krebs noch unzureichend ist

Problematisch ist, dass eine potenzielle Wirkung von Cannabis gegen Krebs bisher oft nur an im Labor gezüchteten Krebszellen oder Tieren untersucht wurde. Entsprechende Ergebnisse könnten zwar erste Hinweis auf den Nutzen einer Behandlung liefern, gelten aber nicht automatisch auch für Menschen. 

Außerdem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass verschiedene Cannabinoide unterschiedliche Wirkungen auf verschiedene Krebsarten haben könnten. Unter Umständen könnte die Gabe von Cannabinoiden laut einer 2004 in der Fachzeitschrift „Cancer Research“ veröffentlichten Studie sogar zum Fortschreiten des Krebses beitragen. Bei Untersuchungen an Krebszellen im Labor hatten die Forschenden festgestellt, dass das Cannabinoid THC zu einem Wachstum der Tumorzellen beitrug

Könnte Cannabis gegen Krebs vorbeugen?

Auf der anderen Seite deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass Cannabis gegen Krebs vorbeugen könnte. So lassen die Ergebnisse einer Tierstudie vermuten, dass THC dazu beitragen könnte, mit Entzündungen assoziierten Darmkrebs bei Mäusen zu verhindern. Für die Studie hatten die Forschenden den Mäusen krebserzeugende Stoffe injiziert. Die Mäuse, die mit THC behandelt wurden, wiesen keine Tumore auf, während die Kontrollgruppe Anzeichen von Tumorwachstum zeigte. Die Mäuse in der THC-Gruppe litten außerdem deutlich seltener unter Dickdarmentzündungen.

Fazit: Warum die Forschung zu Cannabis gegen Krebs einen weiten Weg vor sich hat

In ersten Studien konnten zu Cannabis gegen Krebs Erfahrungen gesammelt werden. Ob und unter welchen Umständen sich Cannabis gegen Krebs als hilfreich erweisen könnte, bleibt trotz einiger positiver Anhaltspunkte aber unklar. Hier sind zukünftig ausreichend große und gesicherte Studien an menschlichen Proband:innen nötig.

Schon heute weitgehend etabliert hat sich hingegen die Verwendung von Cannabis bei Krebs. Dadurch können unter Umständen etwa Schmerzen gelindert und der Appetit angeregt werden. Da der Antrag auf Kostenübernahme von den Krankenkassen hier in der Regel angenommen wird, ist eine Verschreibung von Cannabis auf Privatrezept nicht nötig.
Ihr Cannabis Rezept einlösen können Patient:innen grundsätzlich in jeder Apotheke – ob vor Ort oder online. Wer eine besonders umfassende Beratung und Auswahl sucht, könnte bei spezialisierten Cannabis Apotheken fündig werden.

Quellen:

Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung zu Dronabinol (Schmidt-Wolf, Cremer-Schaeffer, 2021)

3 Jahre Cannabis als Medizin – Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung (Schmidt-Wolf, Cremer-Schaeffer, 2021)

Cannabidiol converts NF-κB into a tumor suppressor in glioblastoma with defined antioxidative properties (Volmar, Cheng et al., 2021)

A phase 1b randomised, placebo-controlled trial of nabiximols cannabinoid oromucosal spray with temozolomide in patients with recurrent glioblastoma (Twelves, Sabel et al., 2021)

Cannabinoids Induce Cancer Cell Proliferation via Tumor Necrosis Factor α-Converting Enzyme (TACE/ADAM17)-Mediated Transactivation of the Epidermal Growth Factor Receptor (Hart, Fischer et al., 2004)

Endocannabinoids as emerging suppressors of angiogenesis and tumor invasion (review) (Bifulco, Laezza et al., 2007)

Beitrag von Cancer Research UK: Cannabis, cannabinoids and cancer – the evidence so far (zuletzt abgerufen am 14.04.2022)
Activation of Cannabinoid Receptor 2 Prevents Colitis-Associated Colon Cancer through Myeloid Cell De-activation Upstream of IL-22 Production (Becker, Alrafas et al., 2020)

Beitragsbild: Unsplash.com