Die Historie von Medizinalcannabis: Ein Drama in drei Akten?

Schon im alten China wurde die Cannabispflanze zu medizinischen Zwecken verwendet. Seitdem hat sie eine turbulente Geschichte hinter sich.

Inhalt

Key Facts

  1. Erstmals schriftlich erwähnt wurde Cannabis als Medizin vor über 2.000 Jahren im alten China.
  2. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich die Verwendung von medizinischem Cannabis in der europäischen Schulmedizin etabliert.
  3. Im 20. Jahrhundert unterlag Cannabis strengen Verboten.
  4. Heute ist Medizinalcannabis besser erforscht und wird wieder mehr verwendet. 

Tausende Jahre reicht die Geschichte von Cannabis zur medizinischen Verwendung zurück. Dabei ist Medizinalcannabis kein Schnee von gestern, sondern eher ein Dauerbrenner.

Turbulent ist wohl das Wort, das die Geschichte von Cannabis am besten beschreibt. Von den einen seit jeher als Heilmittel verehrt, von den anderen als Teufelskraut gefürchtet. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Können vielleicht wissenschaftliche Erkenntnisse zu Cannabis Klarheit über seine Wirkung schaffen und Einigung in den Streit bringen? 

1. Akt: Medizinalcannabis bahnt sich seinen Weg  

Die erste Erwähnung von Cannabis als Medizin findet im „Shennong Bencaojing“ statt, einem der ältesten bekannten Bücher über Heilpflanzen. Nach heutigem Stand wurden seine Erkenntnisse über Jahrhunderte mündlich überliefert, bevor sie vermutlich im 2. Jahrhundert vor Christus niedergeschrieben wurden.

Empfohlen wurde medizinisches Cannabis darin etwa bei Gicht, Malaria, Rheuma, Frauenleiden oder Verstopfung. Eine Besonderheit der Cannabispflanze? Sie enthalte sowohl Yin als auch Yang, und sei so in der Lage aktive mit passiven Anteilen zu vereinen.

Die Verbreitung einer Pflanze: Von China bis nach Europa

Über die Jahrhunderte fand Cannabis seinen Weg durch die Welt und wurde etwa in Indien, im alten Persien oder in Assyrien auch wegen seiner medizinischen Eigenschaften geschätzt. So weit muss aber man gar nicht gehen: Der deutsche Mediziner und Botaniker Jacobus Tabernaemontanus empfahl in seinem „Neuw Kreuterbuch“ Frauen die Verwendung von Cannabis, um Unterleibsschmerzen zu lindern – und das im Jahre 1588.

Zu wahrer Berühmtheit in Europa verhalf Medizinalcannabis aber erst einige Jahrhunderte später der irische Arzt William Brooke O’Shaughnessy. Nach langen Aufenthalten in Indien brachte er die Vorteile der Pflanze auch den Menschen im Abendland näher. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich Cannabis dann in der europäischen Schulmedizin etabliert. So stand es immerhin knapp 90 Jahre lang in der United States Pharmacopeia, dem amerikanischen Arzneibuch, bevor es 1941 in Folge von Gesetzesverschärfungen daraus verbannt wurde.

2. Akt: Cannabis wird illegal 

Bei allen Befürwortern von medizinischem Cannabis darf man nicht vergessen, dass die Verwendung der Pflanze quer durch alle Zeiten stark umstritten war. 

Für Papst Innozenz den VII. galt Cannabis etwa als „unheiliges Sakrament der Satansmesse“, weshalb er Kräuterheilern dessen Verwendung 1484 untersagte.

Und noch im Mexiko des 18. Jahrhunderts riskierte der Priester und Wissenschaftler José Antonio Alzate y Ramírez die Todesstrafe, als er sich für die medizinische Verwendung von Cannabis einsetzte. Dabei führte er eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Bandbreite an Quellen an, die von eigenen Erfahrungen über Berichte von Ureinwohnern und Matrosen bis hin zu medizinischen Enzyklopädien rechte. 

Bei allen Verboten und Strafen hatte es jedoch noch kein so übergreifendes Cannabisverbot gegeben, wie es 1925 auf der „Internationalen Opiumkonferenz“ beschlossen wurde. Es erlaubte die Nutzung von Cannabis fortan nur noch für wissenschaftliche oder medizinische Zwecke und sollte für 14 Länder gelten – von Ägypten und Japan über Frankreich bis hin zu Deutschland. Hierzulande kam man dem Verbot im Dezember 1929 mit dem „Opiumgesetz“ nach, welches den Konsum Cannabis bis auf die genannten Ausnahmefälle untersagte. Ein völliges Verbot folgt dann 1972. 

Dass medizinisches Cannabis im 20. Jahrhundert in eine Krise geriet, hat verschiedene Gründe – mal mehr, mal weniger rational gingen diese fließend ineinander über: Zu den tatsächlichen Sorgen vor den Gefahren von Cannabis kam eine Kriminalisierung und Stigmatisierung der Pflanze. 

Medizinisches Cannabis vor dem Hintergrund moderner Medizin

Immense Fortschritte in der medizinischen Forschung brachten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Medikamente wie Aspirin oder Opioide auf den Markt – und läuteten damit einen Zeitenwandel ein. Dagegen war medizinisches Cannabis nicht nur teurer, sondern seine Wirkung auch schwerer abschätzbar. Von standardisierten Bedingungen für den Anbau und die Anwendung war man damals nämlich noch weit entfernt. 

Dass der Bedarf nach einer Pflanze abnahm, deren Mechanismen nicht weiter erforscht waren und die als Naturprodukt mitunter erhebliche Schwankungen in ihren Wirkstoffanteilen verzeichnete, ist vor diesem Hintergrund nicht weiter verwunderlich. 

Deutlich weiter gingen jedoch die USA und griffen im Rahmen ihrer Prohibitionspolitik streng gegen Cannabis durch. Endgültig den Garaus machte der Pflanze dann 1961 (bis aufs Erste) die Convention on Narcotic Drugs der UNO, die Cannabis weltweit verbot. 

Allein die Forschung mit Cannabis durfte weiterhin bestehen bleiben – teilweise jedenfalls. Nicht ganz unwichtig, wie wir sehen werden ...

3. Akt: Eine kleine Renaissance? Die Seite der Wissenschaft 

Noch während mit der Convention on Narcotic Drugs, zumindest für den Moment, das Licht für Cannabis ausging, bewegte sich an anderer Stelle schon einiges: 1964 konnte erstmals der Bestandteil THC aus der Pflanze isoliert werden – einen wesentlicher Schritt zu deren Verständnis!

Wirklich entscheidend war aber die Entdeckung des Endocannabinoidsystems Anfang der 1990er Jahre. Erstmals konnten die Cannabinoid-Rezeptoren und das Vorhandensein von körpereigenen Cannabinoiden beschrieben werden, was zu einem regelrechten Forschungs-Boom führte. Nachdem man langsam begonnen hatte, die Mechanismen hinter der Wirkung von Cannabis besser zu verstehen, trieben Länder wie Kanada oder auch die USA die Standardisierung der Anbaubedingungen von Cannabis voran. 

Heute sind erlaubte Schwankungen der Cannabinoidgehalte im europäischen Arzneibuch geregelt. Moderne und zu großen teilen standardisierte Anbaubedingungen ermöglichen, dass diese eingehalten werden und immer neue Forschungsergebnisse helfen, Nutzen und Risiken von medizinischem Cannabis genauer einschätzen zu können. 

Ein Blick in die Zukunft 

Geschichte scheint sich auf eine ironische Weise zu wiederholen. Denn plötzlich spielt der Vergleich mit „konventionellen“ Medikamenten wieder eine Rolle – er dürfte diesmal aber umgekehrt, also zu Gunsten von Cannabis, ausgehen: Lange sind etwa schon die möglichen Nebenwirkungen von NSAR, einer häufig verschriebenen Gruppe von Schmerzmitteln, bekannt. Vor diesem Hintergrund könnte medizinisches Cannabis gegen Schmerzen eine wirksame und nebenwirkungsärmere Alternative oder Ergänzung sein. 

Es gilt, weder moderne Schmerzmittel noch Medizinalcannabis zu verteufeln oder in den Himmel zu loben. Beide haben ihre Berechtigung – auch in der modernen Medizin. Die Idee des Wundermittels ohne Risiken war in beiden Fällen schon immer zum Scheitern verurteilt.

Für uns ist klar: Cannabis auf Rezept hat im Medizinschrank genauso seinen Platz verdient wie andere Medikamente. Also schauen Sie gerne in unserer Cannabis Apotheke vorbei.

Quellen:

History of cannabis as a medicine: a review (Zuardi, 2006)

Medicinal Cannabis: History, Pharmacology, And Implications for the Acute Care Setting (Bridgeman, Abazia, 2017)

Schon vor 250 Jahren kämpfte ein Priester für die Legalisierung von Cannabis

Cannabis und Cannabinoide: in der Medizin (Grotenhermen, Müller-Vahl, 2019)

Gesundheitswesen aktuell 2020: Nichtsteroidale Antirheumatika – Eine Analyse des ärztlichen Verordnungsverhaltens (Acar, Marschall et al., 2020)

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