Cannabis bei Corona? Das sagt die Wissenschaft

Key Facts 1. Studien liefern potenzielle Hinweise auf eine Wirkung von Cannabis bei Corona, beziehungsweise Bestandteilen der Hanfpflanze. Eine mögliche Wirksamkeit konnte jedoch nicht in allen Untersuchungen festgestellt werden. 2. Während hinreichende Beweise für einen Effekt von Cannabis bei Corona ausstehen, scheint sich eine Cannabisabhängigkeit in jedem Fall negativ auszuwirken. 3. Weitergehende Studien zu Cannabis bei Corona könnten auch im Hinblick auf andere Viruserkrankungen wichtige Erkenntnisse liefern.

Cannabis gegen Omikron? Die potenzielle Rolle der Hanfpflanze

Seit knapp zwei Jahren hatte die Corona-Pandemie das öffentliche Leben bereits im Griff, als Forschende im Januar 2022 mit einer Studie für Aufsehen sorgten. Im „Journal of Natural Products“ veröffentlichten sie Befunde, nach denen Cannabis bei Corona wirksam sein solle – oder genauer gesagt: bestimmte Cannabinoide der Pflanze.

Innerhalb eines Jahres wurde die Untersuchung der Oregon State University und der Oregon Health & Science University über 400.000-mal aufgerufen. Doch lässt sie, wie mancherorts behauptet, wirklich Aussagen wie „Cannabis schützt gegen Corona“ zu oder handelte es sich vielmehr um ein Strohfeuer? Die Antwort könnte nicht zuletzt für zukünftige Entwicklungen von Interesse sein.

Anhand der aktuellen Studienlage haben wir uns angesehen, was an einer Wirkung von Cannabis bei Corona dran sein könnte. Erfahren Sie außerdem, was es bei der Anwendung von Cannabis nach der Corona-Impfung zu beachten geben könnte.

Studie zu Cannabis bei Sars-CoV-2: Mögliche Wirkung von CBGA und CBDA

In der im Januar 2022 veröffentlichten Untersuchung waren die Forschenden anhand eines Massenspektrometrie-Screenings zum Ergebnis gekommen, dass bestimmte Cannabinoidsäuren das Coronavirus davon abhalten könnten, über das Spike-Protein in menschliche Zellen einzudringen.

Konkret beobachteten sie eine entsprechende Wirksamkeit bei Cannabigerolsäure (CBGA) sowie der Vorstufe von CBD, Cannabidiolsäure (CBDA). Die Effekte traten bei der Alpha- und der Beta-Variante des Coronavirus gleichermaßen auf.

Potenziell wären die Cannabinoidsäuren damit in der Lage, vor einer Ansteckung zu schützen, Symptome bei einer akuten Erkrankung abzuschwächen oder die Dauer der Infektion zu verkürzen. Gleichzeitig gelten beide als verträglich und sicher, ohne berauschend zu wirken.

Da es sich um eine Laborstudie handelte, wären im nächsten Schritt strenge klinische Untersuchungen nötig, um eine tatsächliche Wirksamkeit nachzuweisen oder zu widerlegen. Offen bleiben entsprechende Forschungsprojekte für weitere Covid-Varianten wie Omikron. Ergänzend verwiesen die Forschenden darauf, dass eine Anwendung von CBGA oder CBDA bei Corona nur in Kombination mit einer Corona-Impfung sinnvoll sein könne.

Cannabis & Corona? Kalifornische Studie legt Effekte von CBD nahe

Nur einige Tage später, ebenfalls im Januar 2022, veröffentlichten Forschende der University of Chicago die Ergebnisse ihrer Untersuchungen. Dabei hatten sie 1212 Patient:innen in zwei Gruppen unterteilt und deren Daten ausgewertet. In Sachen Demografie und Krankengeschichte wiesen die Gruppen vergleichbare Werte auf, unterschieden sich aber in erster Linie darin, dass die eine keinerlei Cannabinoide und die andere Epidiolex®, ein Cannabispräparat mit einem CBD Anteil von 100 Milligramm pro Milliliter, zu sich nahm.

Während der Covid-Test bei 6,2 Prozent der CBD Gruppe positiv ausfiel, wurden in der Kontrollgruppe mit 8,9 Prozent signifikant mehr positive Tests verzeichnet.

In einer weiteren Auswertung betrachteten die Forschenden nur die Daten der Patient:innen, die das CBD Medikament mit hoher Wahrscheinlichkeit am Tag des Covid-Tests eingenommen hatten im Vergleich zu einer entsprechenden Kontrollgruppe. Hier wurde sogar ein Verhältnis von 4,9 Prozent positiver Corona-Tests in der CBD Gruppe gegenüber 9,0 Prozent in einer vergleichbaren Kontrollgruppe festgestellt.

Brasilianische Studie stellte keine Wirkung von CBD bei Covid-19 fest

Im Gegensatz zu den beiden US-amerikanischen Studien konnte eine brasilianische Untersuchung keine Hinweise auf eine Wirkung von Cannabis bei Corona beziehungsweise CBD bei Corona beobachten.

An der doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Untersuchung nahmen 105 Patient:innen teil, die unter einer milden oder mäßigen Corona-Erkrankung litten. Zusätzlich zu Medikamenten zur Behandlung ihrer Symptome erhielten sie 14 Tage lang täglich entweder 300 mg CBD oder ein Placebo. Über den Beobachtungszeitraum von 28 Tagen hinweg konnten die Forschenden zwischen der Placebo- und CBD Gruppe keine nennenswerten Unterschiede feststellen.

Offen bleibt laut den Wissenschaftler:innen, ob eine höhere Dosis an CBD bei Corona wirksam sein könnte.

Cannabisabhängigkeit erhöht die Risiken für Corona-Breakthroughs

Während eine potenzielle Wirksamkeit von Cannabis bei Corona – beziehungsweise bestimmter Bestandteile der Hanfpflanze – weitergehend untersucht werden muss, stellten Wissenschaftler:innen fest, dass eine Cannabisabhängigkeit das Risiko für sogenannte Corona-Breakthroughs erhöhen könnte. Von einem Breakthrough ist dann die Rede, wenn eine Person trotz vollständigem Corona-Impfschutz am Virus erkrankt.

Analysiert hatten die Forschenden Daten von knapp 580.000 vollständig gegen das Corona-Virus geimpften Personen in den USA. Während im Durchschnitt 3,6 Prozent der Bevölkerung einen Breakthrough erlitt, lag die Wahrscheinlichkeit bei cannabisabhängigen Personen mit 7,8 Prozent signifikant höher.

„Kiffen“ nach Corona Impfung?

Für Aufsehen sorgten 2021 Lobby-Gruppen in New York und Washington, die kostenlose Joints an geimpfte Personen verteilten. Zuvor waren in ähnlichen Aktionen bereits etwa Donuts oder Wertpapiere ausgegeben worden, um die Bevölkerung zur Corona-Impfung zu mobilisieren.

Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob es überhaupt ratsam ist, in kurzem zeitlichem Abstand zur Corona-Impfung Cannabis anzuwenden.

Unklar ist zum Beispiel, wie sich Cannabis nach der Impfung auf eventuelle Nebenwirkungen auswirken könnte. Während mutmaßlich eine positive Wirkung bei Übelkeit oder Schmerzen denkbar wäre, könnte es eine allgemeine Schlappheit weiter verstärken.

Derzeit gibt es zur Verwendung von Cannabis nach der Corona-Impfung keine belastbaren Daten. Halten Sie als Verwender:in von medizinischem Cannabis Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin, um Neben- oder Wechselwirkungen auszuschließen.

Quellen

Cannabinoids Block Cellular Entry of SARS-CoV-2 and the Emerging Variants (Van Breemen, Muchiri et al., 2022)

Cannabidiol inhibits SARS-CoV-2 replication through induction of the host ER stress and innate immune responses (Nguyen, Yang et al., 2022)

Cannabis compound CBD stops coronavirus in test tube, but can it treat COVID? (reuters.com, 26.01.2022)

Cannabidiol for COVID-19 Patients with Mild to Moderate Symptoms (CANDIDATE Study): A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Clinical Trial (Crippa, Pacheco et al., 2022)

Researchers recommend clinical trials for CBD to prevent COVID-19 based on promising animal data (news.uchicago.edu, 21.01.2022)

Increased risk for COVID-19 breakthrough infection in fully vaccinated patients with substance use disorders in the United States between December 2020 and August 2021 (Wang, Wang et al., 2021)

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