THC ist das wohl bekannteste Cannabinoid und zugleich jenes, das vorwiegend für die berauschende Wirkung verantwortlich ist. Was die mögliche Wirkung von THC bei Epilepsie angeht, kommen Studien jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis.
Während einige Untersuchungen aus den 1970-er Jahre dem Cannabinoid einen krampflösenden Effekt zuschrieben, konnten andere Studien keine entsprechende Wirkung beobachten – oder kamen zum Schluss, dass THC Krampfanfälle sogar begünstigen könnte.
Vor diesem Hintergrund kann eine Verwendung von THC bei Epilepsie aktuell nicht empfohlen werden. Wenn es um die Frage geht, ob bei Epilepsie Cannabis als Medizin angewendet werden sollte, steht also das Cannabinoid CBD im Vordergrund.
2013 rückte die Anwendung von CBD bei Epilepsie erstmals in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Damals wurde in der CNN-Dokumentation „WEED“ unter anderem der Fall von Charlotte Figi beleuchtet. Das Mädchen erlitt in Folge des Dravet-Syndroms bis zu 50 Anfälle am Tag und sprach nicht auf herkömmliche Antiepileptika an.
Durch die Einnahme von CBD Öl konnte die Zahl ihrer epileptischen Anfälle auf 2 bis 3 pro Monat gesenkt werden. Nach ihr wurde die Hanfsorte „Charlotte’s Web“ benannt, die sich durch einen hohen CBD Anteil auszeichnet und heute auch als medizinische Cannabissorte erhältlich ist.
Doch gibt es wissenschaftliche Belege dafür, dass bei Epilepsie Cannabis, genauer gesagt: CBD, vorteilhaft sein könnte? Hierfür werteten Forschende im Jahr 2019 die Ergebnisse verschiedener Studien zu CBD bei Epilepsie aus.
Alle Untersuchungen hatten gemeinsam, dass CBD ergänzend zu herkömmlichen Antiepileptika angewendet wurde. Bei den Versuchsgruppen handelte es sich vorwiegend um Kinder und Jugendliche mit Lennox-Gastaut-Syndrom und Dravet-Syndrom: zwei seltenen und schwer behandelbaren Formen von Epilepsie, die schon im Kindesalter auftreten.
Nach Auswertung der Studien kamen die Forschenden zum Schluss, dass es hinreichende Belege für eine potenzielle Wirksamkeit von CBD bei der Behandlung epileptischer Anfälle im Kindesalter gibt.
Zu den wenigen Untersuchungen, die zum Einsatz von CBD bei erwachsenen Epilepsie-Patient:innen vorliegen, zählt eine 2021 veröffentlichte Studie des Johns-Hopkins-Instituts.
Dabei berichteten Proband:innen, die in diesem Fall frei verkäufliches CBD einnahmen, im Vergleich zur Kontrollgruppe unter anderem von einer signifikant besseren Verträglichkeit herkömmlicher Epilepsiemedikamente und einer geringeren Wahrscheinlichkeit der Einnahme von verschreibungspflichtigen Medikamenten und traditionellen Antikonvulsiva.
Um einen potenziellen Effekt bei CBD auf Erwachsene weiter zu untersuchen und Verzerrungen zu verhindern, sind hier jedoch zusätzlich Studien mit verblindetem Untersuchungsdesign nötig.
Hinsichtlich der Anwendung von Epidyolex®, einer Lösung mit hochreinem CBD, wurde in einer Reihe randomisierter, kontrollierter Doppelblindstudien an insgesamt etwa 500 Patient:innen festgestellt, dass es die Häufigkeit der Anfälle bei schweren Verläufen von Epilepsie bei Kindern reduzieren kann.
2019 wurde Epidyolex® von der europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zur Behandlung des Dravet-Syndroms und des Lennox-Gastaut-Syndroms zugelassen. Hier können Ärzt:innen also Cannabis auf Rezept verschreiben, oder genauer gesagt: einen aus Cannabis gewonnenen Wirkstoff. Das Cannabis Rezept einlösen kann man wie üblich in der Apotheke vor Ort oder online.
In der Regel sind Nebenwirkungen von CBD mild und treten nur im ersten Monat der Anwendung auf. Die häufigsten unerwünschten Begleiterscheinungen einer Behandlung mit CBD sind Schläfrigkeit, verminderter Appetit, Durchfall, Erbrechen, Müdigkeit und Fieber.
Bei der Anwendung von CBD in Kombination mit herkömmlichen Antiepileptika kann es zu Wechselwirkungen kommen. So könnte etwa die Einnahme von CBD in Verbindung mit Valproat das Risiko für die Entstehung von Leberschäden erhöhen.
Da bereits die alleinige Anwendung von Valproat ein erhöhtes Risiko von Leberschäden birgt, ist dessen Einnahme mit regelmäßigen Check-ups verbunden. In der Kombination mit CBD sollte auf diesen Punkt jedoch zusätzlich Acht gegeben werden. Wenn bei Epilepsie Cannabis oder eines seiner Bestandteile angewandt werden soll, gilt es in jedem Fall, den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin zu konsultieren.
Ob mit THC Epilepsie behandelt werden kann, bleibt auf Basis der aktuellen Forschungslage im Unklaren. Wenn bei Epilepsie Cannabis angewandt wird, liegt der Schwerpunkt derzeit klar auf der Behandlung mit CBD.
Die Anwendung des CBD-Präparats Epidyolex® ist bei Kindern mit Lennox-Gastaut-Syndrom und Dravet-Syndrom vergleichsweise gut erforscht und in Deutschland seit 2019 zugelassen.
Erwachsene Patient:innen sind in vielen Studien zu Cannabis und Epilepsie unterrepräsentiert. Entsprechend weiß man hier noch recht wenig über eine mögliche Wirksamkeit und Dosierung von Cannabis beziehungsweise CBD.
Vor dem Hintergrund der häufigen Fälle von pharmakoresistenter Epilepsie sowie der potenziellen Nebenwirkungen herkömmlicher Antiepileptika und der möglichen gesundheitlichen und psychosozialen Folgen der Erkrankung wären weitere Forschungen zu dem Thema zu begrüßen.
Informationsblatt des Informationszentrums Epilepsie (ize) der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie e.V: Epilepsien in Zahlen (2016)
Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Epileptologie e.V.: Cannabis (und extrahierte Wirkstoffe) in der Epilepsiebehandlung (2017)
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