Cannabis bei Rheuma: Das sagt die Wissenschaft

Vor tausenden Jahren soll Cannabis bei Rheuma angewandt worden sein. Heute ist die Studienlage jedoch dünn. Ein Überblick über den aktuellen Wissensstand.

Schmerzen, steife Gelenke, Gelenkschäden – könnte Cannabis bei Rheuma Abhilfe schaffen? Eine von 12 Frauen und einer von 20 Männern leiden im Laufe ihres Lebens an einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung, so US-amerikanische Schätzungen. In unserer alternden Gesellschaft gewinnt die Erkrankung zwangsläufig an Relevanz, da sie vorwiegend in der zweiten Lebenshälfte auftritt.

Während Cannabis als Medizin mittlerweile in vielen Ländern zugelassen ist, steht die Frage nach einer potenziellen Wirkung von Cannabis bei Rheuma im Raum. Alleine zwischen 2014 und 2019 verdreifachte sich in den USA die Zahl jener Rheumapatient:innen, die Cannabis verwendeten. Doch gibt es wissenschaftliche Belege für einen Einsatz von Cannabis bei Rheuma? Einen Überblick über die Studienlage finden Sie hier.

Cannabis bei Rheuma: Die Ausgangslage

Im alten China empfahl das „Shennong Bencaojing“, ein Buch über Heilpflanzen und Ackerbau, die Anwendung von Cannabis bei rheumatischen Schmerzen. Das vermutlich im 2. Jahrhundert vor Christus niedergeschriebene Werk gilt als älteste Aufzeichnung in der Historie von Medizinalcannabis in China. Schon Jahrhunderte vor der Niederschrift sollen seine Inhalte mündlich überliefert worden sein.

Heute haben sich Opioide in der Behandlung von Schmerzen bewährt, bergen aber auch ein recht hohes Abhängigkeitspotenzial. Nebenwirkungen von Cannabis könnten im Vergleich geringer ausfallen.

Die Anwendung von Cannabis bei Schmerzen chronischer Natur, wie sie auch durch Rheuma hervorgerufen werden können, gehört zu den Hauptanwendungsgebieten von Cannabinoiden. Für eine mögliche Anwendung von Cannabis bei Rheuma spricht in der Theorie zudem die potenziell entzündungshemmende Wirkung von Cannabinoiden.

Cannabis bei Rheuma: Eine Zusammenfassung der Studienlage

In der Forschung weisen bisher nur schwache Anhaltspunkte auf eine positive Wirkung von Cannabis bei Rheuma hin, da entsprechende Studien überwiegend an Tieren oder ohne ein randomisiertes kontrolliertes Design durchgeführt wurden. So legen etwa die Ergebnisse einer 2004 veröffentlichten Studie an Mäusen mit Arthritis eine entzündungshemmende Wirkung von Cannabinoiden nahe.

In der Fachzeitschrift „Pain Research and Management“ berichteten israelische Forschende 2021 von ihren Beobachtungen zur Anwendung von medizinischem Cannabis bei Rheuma. Dafür hatten sie rund 300 ambulante Patient:innen einer Klinik für Rheumatologie befragt. Die Mehrheit jener, die medizinisches Cannabis verwendeten, berichteten von signifikanten Verbesserungen in Sachen Schmerzreduktion und Schlafqualität.

Cannabis bei Rheuma: Es fehlt an randomisierten kontrollierten Studien

Gegenwärtig liegt zur Anwendung von Cannabis bei Rheuma nur eine randomisierte kontrollierte Studie vor. Hier wurde an 58 Patient:innen über einen Zeitraum von fünf Wochen die Verwendung von Sativex® untersucht, einem Mundspray, das sowohl CBD als auch THC enthält.

Im Vergleich zur Placebogruppe berichteten die Proband:innen der Versuchsgruppe von einer statistisch signifikanten Verbesserung der Schmerzen bei Bewegung und in Ruhe sowie der Schlafqualität. Keine Verbesserung konnte bei der Morgensteifigkeit beobachtet werden.

Während die relativ geringe Anzahl an Versuchspersonen als Einschränkung genannt werden muss, liefert die Untersuchung vielversprechende Anhaltspunkte zur Anwendung von Cannabis bei Rheuma. Weitere randomisierte kontrollierte Studien sind nötig, um einen potenziellen Effekt weiter zu untersuchen.

Die Anwendung von Cannabis bei Rheuma in Deutschland

Seit 2017 in Deutschland die Cannabis Legalisierung zu medizinischen Zwecken in Kraft trat, bedarf es keiner Ausnahmegenehmigung mehr, um Cannabis als Medizin zu verschreiben. Gleichzeitig war dies der Startschuss für eine fünfjährige Begleiterhebung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). In deren Abschlussbericht finden sich folgende Erkenntnisse zum Einsatz von Cannabis bei Rheuma:

Im Zeitraum der Erhebung wurde die Behandlung von 34 Rheuma-Patient:innen mit Dronabinol aufgezeichnet, einem Rezepturarzneimittel mit meist synthetischem THC als Einzelwirkstoff. 

Beim überwiegenden Teil der Personen konnte eine moderate Verbesserung oder sogar eine deutliche Verbesserung festgestellt werden, während bei rund zehn Betroffenen keine Veränderung festgestellt wurde. Bei einem Bruchteil der Gruppe trat eine moderate Verschlechterung auf. Es traten keine deutlichen Verschlechterungen auf.

Opioide und Cannabis bei Rheuma?

Anwender:innen von Cannabis bei Rheuma erhoffen sich mitunter einen Opioid-Sparing-Effekt. Dieser besagt in der Theorie, dass man durch die Kombination von Opioiden mit anderen Medikamenten – in diesem Fall Cannabinoiden – die Dosis an Opioiden reduzieren kann, ohne einen Verlust an schmerzstillender Wirkung hinnehmen zu müssen.

In der Praxis liefern klinische Studien nach aktuellem Stand keine hinreichenden Beweise für einen opioidsparenden Effekt von Cannabis. Da somit auch mögliche Wechselwirkungen von Cannabis und Opioiden nur unzureichend untersucht sind, sollte eine eventuelle Anwendung von medizinischem Cannabis in Verbindung mit Opioiden nur nach ärztlicher Absprache erfolgen.

Fazit: Der Forschungsstand zu Cannabis bei Rheuma

Die Anwendung von Cannabis bei Rheuma wurde in der Vergangenheit nur in wenigen qualitativ hochwertigen Studien thematisiert. Zuletzt kamen zum Forschungsstand vor allem Übersichtsarbeiten hinzu, die sich mit bereits bestehenden Untersuchungen beschäftigten. Um die Wirkungen und Risiken von Cannabis bei Rheuma genauer zu erforschen, bedarf es in Zukunft jedoch randomisierter kontrollierter Studien mit großen Versuchsgruppen.

Hier und heute bleibt die Situation widersprüchlich: Einerseits ist eine Verschreibung von Cannabis auf Rezept grundsätzlich möglich – das Cannabis Rezept einlösen können Patient:innen dann regulär in der Apotheke vor Ort oder online. Andererseits kann eine Therapie mit Cannabis bei Rheuma auf Basis der dünnen Studienlage derzeit weder empfohlen noch ausgeschlossen werden. 

Im Einzelfall sollten von Rheuma betroffene Patient:innen das Gespräch mit dem behandelnden Arzt bzw. der behandelnden Ärztin suchen, um Behandlungsalternativen abzuwägen. Ein ärztliches Gespräch vor der potenziellen Anwendung von Cannabis bei Rheuma ist nicht zuletzt unerlässlich, um potenziellen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten vorzubeugen.

Quellen:

The Lifetime Risk of Adult-Onset Rheumatoid Arthritis and Other Inflammatory Autoimmune Rheumatic Diseases (Crowson, Matteson et al., 2011)

Increase in Cannabis Use Among Adults with Rheumatic Diseases: Results from a 2014‐2019 US Observational Study (Wipfler, Simon et al., 2021)

The Religious and Medicinal Uses of Cannabis in China, India and Tibet (Touw, 1981)

A novel synthetic, nonpsychoactive cannabinoid acid (HU-320) with antiinflammatory properties in murine collagen-induced arthritis (Sumariwalla, Gallily et al., 2004)

The Effect of Medical Cannabis on Pain Level and Quality of Sleep among Rheumatology Clinic Outpatients (Habib, Khazin et al., 2021)

Preliminary assessment of the efficacy, tolerability and safety of a cannabis-based medicine (Sativex) in the treatment of pain caused by rheumatoid arthritis (Blake, Robson et al., 2005)


Publikation des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Abschlussbericht der Begleiterhebung nach § 31 Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Verschreibung und Anwendung von Cannabisarzneimitteln (2022)

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