 
            Share
Chronische Schmerzen können die Lebensqualität von Betroffenen enorm einschränken. So leiden sie nicht nur körperlich, sondern auch seelisch, da das Nervensystem den Schmerz „lernt“ und dauerhaft wahrnimmt. Herkömmliche Schmerzmittel lindern meist nur begrenzt die Schmerzsymptomatik. Medizinisches Cannabis kann eine zusätzliche Therapieoption sein, da es das Schmerzempfinden im Gehirn beeinflussen kann.
Die wichtigsten Fakten auf einen Blick:
- Chronische Schmerzen können Körper, Psyche und Alltag stark beeinträchtigen.
 
- Das Endocannabinoid-System spielt eine zentrale Rolle bei der Schmerzregulation und Entzündungshemmung, weshalb ein gestörtes Gleichgewicht dieses Systems chronische Schmerzen verstärken kann.
 
- Medizinisches Cannabis kann die Schmerzwahrnehmung im Gehirn beeinflussen und so zur Linderung der Beschwerden beitragen.
 
Was sind chronische Schmerzen?
Normalerweise nehmen Schmerzen ab, wenn eine Verletzung oder Entzündung heilt. Bei chronischen Schmerzen ist das anders. Der Schmerz bleibt, auch wenn die ursprüngliche Ursache nicht mehr vorhanden ist. Hier hat sich der Schmerz „verselbstständigt“ und ist zu einer eigenen Krankheit geworden. Dabei gelten Schmerzen als chronisch, wenn sie länger als drei bis sechs Monate andauern oder immer wiederkehren.
Unterschieden wird unter anderem zwischen den folgenden Schmerzarten:
- Nozizeptive Schmerzen entstehen durch eine Gewebeschädigung (z.B. bei einer Verletzung oder Entzündung).
 
- Neuropathische Schmerzen entwickeln sich durch eine Schädigung oder Reizung von Nerven (z.B. nach einem Bandscheibenvorfall oder bei Diabetes).
 
- Psychogene Schmerzen haben keine erkennbare körperliche Ursache, sondern stehen in engem Zusammenhang mit seelischen Belastungen oder Stress.
Häufig kommen mehrere Schmerzarten gleichzeitig vor.
Welche Auswirkungen können chronische Schmerzen haben?
Chronische Schmerzen wirken sich nicht nur auf den Körper, sondern auch auf die Psyche und das ganze Leben aus. Viele Betroffene leiden unter Schlafproblemen, Erschöpfung, Reizbarkeit oder depressiven Verstimmungen. Auch der Alltag, die Arbeit und soziale Kontakte können stark beeinträchtigt werden.
Langanhaltende Schmerzen verändern außerdem das Nervensystem. Das Gehirn „lernt“, den Schmerz ständig wahrzunehmen, selbst wenn kein körperlicher Grund mehr vorhanden ist. Deshalb ist eine ganzheitliche Behandlung (Medikamente, Bewegungstherapien, Psychotherapie etc.) besonders wichtig.
Bei vielen Menschen mit chronischen Schmerzen bringen herkömmliche Behandlungen nur begrenzte Linderung. Oft bleibt der Schmerz trotz intensiver Therapie bestehen oder kehrt immer wieder zurück. Das kann für Betroffene sehr belastend sein. In solchen Fällen kann medizinisches Cannabis eine ergänzende Behandlungsoption sein. Allerdings profitiert nicht jeder gleich stark davon, aber für manche Menschen kann es die Lebensqualität deutlich verbessern.
Unterschied in der Wirkweise bei Schmerzmitteln und medizinischem Cannabis
Schmerzmittel, wie zum Beispiel Ibuprofen, Paracetamol oder auch stärkere Medikamente wie Opioide, wirken direkt auf die Ursache des Schmerzes oder blockieren die Weiterleitung des Schmerzsignals im Körper. Dadurch wird der Schmerz an der Quelle abgeschwächt.
Medizinisches Cannabis kann hingegen die Wahrnehmung des Schmerzes im Gehirn verändern. Der Schmerz ist also noch da, wird aber weniger intensiv oder störend wahrgenommen.1, 2
Zusammenhänge zwischen dem Endocannabinoid-System und chronischen Schmerzen
Das Endocannabinoid-System (ECS) ist ein körpereigenes Regel- und Kommunikationssystem, das dabei hilft, viele Prozesse im Gleichgewicht zu halten, wie zum Beispiel Stimmung, Schlaf, Appetit, Immunsystem und auch die Schmerzverarbeitung, und besteht aus drei Hauptbestandteilen:
- 
Endocannabinoide: Der Körper bildet bei Bedarf körpereigene Cannabinoide, die den Cannabinoiden in der Cannabispflanze ähneln und sich an die Cannabinoid-Rezeptoren binden.
 
- 
Cannabinoid-Rezeptoren:  Die Hauptrezeptoren sind die Cannabinoid-Rezeptoren 1 (CB1), die sich vorwiegend im Gehirn befinden und Cannabinoid-Rezeptoren 2 (CB2), die hauptsächlich auf den Zellen des Immunsystems liegen.
 
- 
Enzyme: Verschiedene Enzyme sorgen für den Auf- und Abbau der Endocannabinoide.
 
Bei der Verarbeitung und Kontrolle von Schmerzen spielt das ECS eine zentrale Rolle, da es an mehreren Stellen im Körper wirken kann:
- Im Gehirn beeinflusst das ECS, wie stark wir Schmerzen empfinden.3
 
- Die Weiterleitung von Schmerzsignalen an das Gehirn kann das ECS über das Rückenmark hemmen.4
 
- Über das Immunsystem kann das ECS Entzündungen verringern, die häufig eine Ursache oder Verstärkung chronischer Schmerzen sind.5
 
Wenn die Funktion des ECS gestört ist, kann das Nervensystem überempfindlich werden. Dadurch reagiert der Körper stärker auf Schmerzreize oder empfindet sogar Schmerzen, ohne dass eine echte Verletzung vorliegt. Forschende vermuten, dass bei manchen Menschen mit chronischen Schmerzen ein „Endocannabinoid-Mangel“ bestehen könnte. Das heißt, der Körper zu wenig dieser schmerzregulierenden Stoffe bildet. Wissenschaftlich belegt ist dies jedoch nicht.6, 7
Vorteile von medizinischem Cannabis bei Schmerzen
Verschiedene Studien legen nahe, dass medizinisches Cannabis Schmerzen bei manchen Menschen lindern kann. Nicht alle Betroffenen profitieren jedoch gleich stark, aber es gibt Hinweise auf Verbesserungen insbesondere bei neuropathischen Schmerzen und gemischten Schmerzarten.8, 9
Neben einer Schmerzlinderung berichten manche Studien auch von positiven Effekten auf den Schlaf und die Lebensqualität.10
Aktuell ist noch mehr Forschung nötig, vor allem in Form von größeren, längeren Studien und Vergleichen mit Standardtherapien, um sichere Aussagen zur Wirksamkeit von medizinischem Cannabis treffen zu können.
FAQ
Wo bekommt man Cannabis gegen Schmerzen?
Medizinisches Cannabis ist in Deutschland verschreibungspflichtig und wird ausschließlich über Apotheken abgegeben. Voraussetzung ist ein ärztliches Rezept, das nach genauer Prüfung der Beschwerden und bisherigen Therapien ausgestellt werden kann.
Welcher Arzt verschreibt Cannabis bei Schmerzen?
Grundsätzlich dürfen alle Ärztinnen und Ärzte – außer Zahn- und Tierärzte – medizinisches Cannabis verschreiben. Meist erfolgt die Verordnung durch Schmerztherapeuten, Neurologen oder Hausärzte mit entsprechender Erfahrung in der Schmerzbehandlung.
Welche chronischen Schmerzen für Cannabis Rezept?
Medizinisches Cannabis kann verordnet werden, wenn die Beschwerden trotz Standardtherapien bestehen bleiben. Besonders bei neuropathischen oder gemischten Schmerzarten kann Cannabis als ergänzende Behandlungsoption erwogen werden.
Kann ein Orthopäde Cannabis verschreiben?
Orthopädinnen und Orthopäden dürfen Cannabis verordnen, wenn sie dies medizinisch für sinnvoll halten. Voraussetzung ist, dass andere Therapien keine ausreichende Wirkung gezeigt haben und eine individuelle Prüfung der Indikation erfolgt.
Quellenangaben
Lee MC, Ploner M, Wiech K et. al, Amygdala activity contributes to the dissociative effect of cannabis on pain perception. Pain. 2013 Jan;154(1):124-134, Download vom 06.10.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23273106/
Weizman L, Dayan L, Brill S et. al, Cannabis analgesia in chronic neuropathic pain is associated with altered brain connectivity. Neurology. 2018 Oct 2;91(14):e1285-e1294, Download vom 06.10.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30185448/
Zhang M, Wang T, Meng F et. al, The endocannabinoid system in the brain undergoes long-lasting changes following neuropathic pain. iScience. 2024 Nov 22;27(12):111409, Download vom 06.10.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39717086/
Rice AS, Farquhar-Smith WP, Nagy I. Endocannabinoids and pain: spinal and peripheral analgesia in inflammation and neuropathy. Prostaglandins Leukot Essent Fatty Acids. 2002 Feb-Mar;66(2-3):243-56, Download vom 06.101.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12052040/
Barrie N, Manolios N. The endocannabinoid system in pain and inflammation: Its relevance to rheumatic disease. Eur J Rheumatol. 2017 Sep;4(3):210-218, Download vom 06.10.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29164003/
Kurlyandchik I, Lauche R, Tiralongo E et. al, Plasma and interstitial levels of endocannabinoids and N-acylethanolamines in patients with chronic widespread pain and fibromyalgia: a systematic review and meta-analysis. Pain Rep. 2022 Nov 7;7(6):e1045, Download vom 06.10.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36381652/
Trevino CM, Hillard CJ, Szabo A, deRoon-Cassini TA. Serum Concentrations of the Endocannabinoid, 2-Arachidonoylglycerol, in the Peri-Trauma Period Are Positively Associated with Chronic Pain Months Later. Biomedicines. 2022 Jul 5;10(7):1599, Download vom 06.10.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35884902/
Sainsbury B, Bloxham J, Pour MH, Padilla M, Enciso R. Efficacy of cannabis-based medications compared to placebo for the treatment of chronic neuropathic pain: a systematic review with meta-analysis. J Dent Anesth Pain Med. 2021 Dec;21(6):479-506, Download vom 06.10.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34909469/
Poli P, Crestani F, Salvadori C et. al, Disability, and Psychological aspects. A Prospective Non randomized Single Arm Clinical Trial. Clin Ter. 2018 May-Jun;169(3):e102-e107, Download vom 06.10.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29938740/
Wang L, Hong PJ, May C et. al, Medical cannabis or cannabinoids for chronic non-cancer and cancer related pain: a systematic review and meta-analysis of randomised clinical trials. BMJ. 2021 Sep 8;374:n1034, Download vom 06.10.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34497047/
Meta-Tags:
Meta-Title:
Meta-Description:
 
              
             
              
             
              
            