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Bei der chronischen Erkrankung Fibromyalgie steht die Schmerzsymptomatik im Vordergrund. Weitere Beschwerden können Müdigkeit, Schlafprobleme und Konzentrationsstörungen sein. Dabei setzt die Behandlung vor allem auf Bewegung, Stressabbau, guten Schlaf und psychologische Unterstützung, Medikamente allein helfen meist nicht ausreichend. Dafür rückt medizinisches Cannabis zunehmend in den Fokus als ergänzende Therapieoption. Erste Studien zeigen eine mögliche Linderung der Beschwerden, die Datenlage ist jedoch noch begrenzt, weshalb weitere Forschung nötig ist.
Die wichtigsten Fakten auf einen Blick:
- Medizinisches Cannabis wird zunehmend als ergänzende Therapie bei Fibromyalgie untersucht, da es das Endocannabinoid-System beeinflussen und Schmerzen lindern könnte.
- Erste Studien zeigen teilweise Verbesserungen bei Schmerzen, Schlaf und Stimmung, die Datenlage ist jedoch begrenzt, weshalb weitere, langfristige Forschung nötig ist.
Fibromyalgie - was ist das?
Das Fibromyalgie-Syndrom ist eine chronische Schmerzerkrankung, die Beschwerden in unterschiedlichen Körperregionen verursacht, meist in der Nähe von Muskeln und Gelenken. Anders als bei einer Verletzung oder Entzündung lässt sich mit üblichen Untersuchungen keine klare Ursache finden.
Es wird davon ausgegangen, dass das Nervensystem Schmerzreize verstärkt weiterleitet und das Schmerzempfinden dadurch empfindlicher reagiert als bei anderen Menschen. Auch Stress, Schlafprobleme, körperliche oder seelische Belastungen können bei der Entstehung der Erkrankung eine Rolle spielen.
Neben der Schmerzsymptomatik können mit der Erkrankung weitere Symptome einhergehen:
- vermehrte Muskelsteifigkeit, besonders morgens oder nach längeren Ruhephasen
- starke Erschöpfung und Müdigkeit, selbst nach ausreichend Schlaf
- Schlafstörungen, oft mit dem Gefühl, nachts nicht wirklich zur Ruhe zu kommen
- Konzentrations- und Gedächtnisprobleme („Fibro-Fog“), die den Alltag erschweren
- Kopfschmerzen oder Migräne
- Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Gerüchen oder Temperaturschwankungen
Nicht alle Betroffenen leiden unter den gleichen Beschwerden, und die Stärke der Symptome kann von Tag zu Tag schwanken. Für viele ist es eine unsichtbare Erkrankung, die nach außen kaum erkennbar ist, im Inneren aber sehr belastend sein kann. Dabei erkranken Frauen sechs- bis siebenmal häufiger als Männer.
Therapiemöglichkeiten bei Fibromyalgie und ihre Grenzen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Besonders wichtig sind folgende Maßnahmen:
-
Bewegung: Sanfte Aktivitäten wie Spazierengehen, Schwimmen, Radfahren oder leichte Gymnastik können Schmerzen verringern und die Beweglichkeit fördern. Auch wenn es anfangs schwerfällt, bringt regelmäßige Bewegung meist spürbare Erleichterung.
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Entspannung und Stressabbau: Methoden wie Atemübungen, Meditation, Yoga oder progressive Muskelentspannung können dabei helfen, besser mit Schmerzen und Anspannung umzugehen.
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Gesunder Schlafrhythmus: Feste Schlafzeiten und kleine Rituale vor dem Zubettgehen können dabei unterstützen, erholsamer zu schlafen.
- Gesprächstherapie oder psychologische Unterstützung: Der Austausch über Sorgen, Ängste oder Belastungen kann entlasten und neue Wege im Umgang mit der Krankheit eröffnen.
Darüber hinaus können auch verschiedene Medikamente zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel Schmerzmittel oder Antidepressiva. Sie sind jedoch meist nur ein Teil der Behandlung und nicht die alleinige Lösung.
Trotz aller Maßnahmen bleibt das Fibromyalgie-Syndrom eine chronische Erkrankung. Es gibt bislang keine Behandlung, die sie vollständig heilen kann. Auch wirken nicht alle Therapien bei allen Patientinnen und Patienten gleich. Dementsprechend bedeutet es, mit Fibromyalgie zu leben, einen neuen Umgang mit dem eigenen Körper zu lernen – Schritt für Schritt. Dabei zählt nicht nur die Behandlung, sondern auch Selbstfürsorge, Geduld und das Verständnis des Umfelds.
Kann medizinisches Cannabis bei Fibromyalgie nützlich sein?
Die medikamentöse Therapie bei Fibromyalgie ist häufig nicht ausreichend wirksam. Zudem können Nebenwirkungen auftreten, die Betroffene zusätzlich belasten. Dadurch gestaltet sich die Behandlung schwierig und rückt ergänzende Möglichkeiten, etwa den Einsatz von medizinischem Cannabis, stärker in den Fokus.
Zusammenhang zwischen Fibromyalgie und Endocannabinoid-System
Das Endocannabinoid-System (ECS) ist eine Art Regulationssystem im menschlichen Körper, das dabei hilft, viele wichtige Abläufe im Gleichgewicht zu halten. Darunter unter anderem das Schmerzempfinden, Stimmung, Schlaf, Appetit und Entzündungsprozesse.
Zum ECS gehören körpereigene Cannabinoide (Endocannabinoide), die der Körper bei Bedarf herstellt und genau wie die Cannabinoide in der Cannabispflanze an bestimmten Schaltstellen (Cannabinoid-Rezeptoren) andocken. Diese befinden sich unter anderem im Gehirn, in den Nerven, im Immunsystem und auch in Organen.
Studien legen nahe, dass das ECS bei Fibromyalgie gestört sein könnte. Diskutiert wird, dass der Körper nicht ausreichend Endocannabinoide bildet oder aber die Signalweiterleitung gestört sein könnte, was die Symptomatik verstärkt.1, 2, 3
Möglicherweise kann eine Störung im ECS dazu beitragen, dass viele Patientinnen und Patienten mit Fibromyalgie nur begrenzt auf herkömmliche medikamentöse Behandlungen reagieren und warum medizinisches Cannabis nützlich sein könnte, da Cannabinoide das ECS beeinflussen.
Potenzial von medizinischem Cannabis bei Fibromyalgie
Es gibt verschiedene Studien, in denen die potenzielle Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei Fibromyalgie-Symptomen untersucht wurde. Darunter finden sich auch klinische Studien mit Patientinnen und Patienten.4, 5, 6
Hier die wichtigsten Ergebnisse:
- Etwa 30 bis 50 Prozent der Teilnehmenden berichteten über deutlich weniger Schmerzen.
- 40 bis 60 Prozent gaben an, sich insgesamt besser zu fühlen (Verbesserungen beim Schlaf, bei der Stimmung und bei der körperlichen Belastbarkeit).
- Je nach Studie hatten 10 bis 30 Prozent der Patientinnen und Patienten kaum oder gar keinen Nutzen.
Medizinisches Cannabis scheint für manche Betroffene mit Fibromyalgie hilfreich zu sein. Gleichzeitig gibt es aber mehrere Einschränkungen in den Studien, die berücksichtigt werden müssen:
- Viele Studien schlossen nur wenige Patientinnen und Patienten ein, manchmal weniger als 100. Das macht es schwierig, die Ergebnisse auf alle Patientinnen und Patienten zu übertragen.
- Die Studien liefen meist nur über einige Wochen oder Monate. Da Fibromyalgie eine chronische Erkrankung ist, wären Studien über mehrere Jahre notwendig, um verlässliche Aussagen zur Langzeitwirksamkeit und Sicherheit machen zu können.
- Verwendet wurden verschiedene Präparate, etwa Blüten zum Inhalieren oder Öle und Kapseln. Auch das THC:CBD-Verhältnis variierte stark, was einen direkten Vergleich erschwert.
- Nicht immer wurde dokumentiert, wie viel Cannabis eingenommen wurde oder ob gleichzeitig andere Medikamente verwendet wurden.
- In mehreren Untersuchungen gab es keine Vergleichsgruppe, die ein Placebo (Scheinmedikament) erhielt. Dadurch bleibt unklar, ob die Verbesserungen tatsächlich auf Cannabis zurückzuführen sind oder auch durch andere Faktoren entstehen könnten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass medizinisches Cannabis in ersten Studien ein gewisses Potenzial zeigte, insbesondere bei der Schmerzlinderung. Dennoch ist die bisherige Datenlage noch begrenzt. Um sichere und klare Empfehlungen geben zu können, braucht es größere, langfristige und besser kontrollierte Untersuchungen.
FAQ
Welche Anzeichen hat man bei Fibromyalgie?
Typische Symptome sind chronische Schmerzen in Muskeln und Gelenknähe, starke Müdigkeit, Schlafstörungen sowie Konzentrationsprobleme („Fibro-Fog“). Außerdem können Muskelsteifigkeit, Kopfschmerzen und eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Gerüchen oder Temperaturschwankungen auftreten.
Was sind die Auslöser für Fibromyalgie?
Die genaue Ursache ist unbekannt. Stress, Schlafprobleme sowie körperliche oder seelische Belastungen können die Entstehung begünstigen. Auch eine überempfindliche Weiterleitung von Schmerzsignalen im Nervensystem kann beteiligt sein.
Kann Fibromyalgie mit Cannabis behandelt werden?
Medizinisches Cannabis kann bei manchen Betroffenen Schmerzen lindern und die Stimmung sowie den Schlaf verbessern. Die Datenlage ist jedoch noch begrenzt, und nicht alle Patientinnen und Patienten sprechen darauf an.
Wie bekommt man medizinisches Cannabis bei Fibromyalgie verschrieben?
Die Verschreibung erfolgt durch eine Ärztin oder einen Arzt, unter anderem nach der Erhebung der Krankengeschichte und Abfragen der Beschwerden. Um andere Ursachen auszuschließen, können verschiedene Untersuchungen (z.B. MRT, CT etc.) zum Einsatz kommen. Sollte eine Standardtherapie keine ausreichende Besserung bringen, kann Cannabis als ergänzende Therapie verschrieben werden.
Quellenangaben
Kurlyandchik I, Lauche R, Tiralongo E, Warne LN, Schloss J. Plasma and interstitial levels of endocannabinoids and N-acylethanolamines in patients with chronic widespread pain and fibromyalgia: a systematic review and meta-analysis. Pain Rep. 2022 Nov 7;7(6):e1045, Download vom 20.09.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36381652/
Stensson N, Ghafouri N, Ernberg M et. al, The Relationship of Endocannabinoidome Lipid Mediators With Pain and Psychological Stress in Women With Fibromyalgia: A Case-Control Study. J Pain. 2018 Nov;19(11):1318-1328, Download vom 20.09.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29885369/
Bourke SL, Schlag AK, O'Sullivan SE, Nutt DJ, Finn DP. Cannabinoids and the endocannabinoid system in fibromyalgia: A review of preclinical and clinical research. Pharmacol Ther. 2022 Dec;240:108216, Download vom 20.09.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35609718/
Strand NH, Maloney J, Kraus M et. al, Cannabis for the Treatment of Fibromyalgia: A Systematic Review. Biomedicines. 2023 Jun 2;11(6):1621, Download vom 20.09.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37371716/
Kurlyandchik I, Tiralongo E, Schloss J. Safety and Efficacy of Medicinal Cannabis in the Treatment of Fibromyalgia: A Systematic Review. J Altern Complement Med. 2021 Mar;27(3):198-213, Download vom 20.09.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33337931/
Lopera V, Restrepo JC, Amariles P. Effectiveness and safety of cannabis-based products for medical use in patients with fibromyalgia syndrome: A systematic review. Explor Res Clin Soc Pharm. 2024 Oct 11;16:100524, Download vom 20.09.2025 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39498228/