Durch Kreuzungen gibt es praktisch unendlich viele Sorten von Cannabis. Wie soll man da die richtige für sich und seine Bedürfnisse finden?
Deutlich übersichtlicher wird das Ganze zumindest durch die Einteilung in zwei übergeordnete Gruppen, nämlich Sativa und Indica. Sie ist den meisten Händlern und Konsumenten geläufig. Der wichtigste Unterschied für Patienten: Sativa soll anregen, Indica entspannen. Klingt doch alles ganz einfach.
Aufgrund neuerer Studien ist man sich jedoch nicht mehr so sicher, wie korrekt die Unterteilung wirklich ist. Schauen wir uns also an, was an der Unterscheidung zwischen Sativa und Indica dran ist – und wie Ihnen das bei der Suche nach der richtigen Sorte helfen könnte.
Indica vs. Sativa wird oft auch mit „high“ vs. „stoned“ übersetzt; „Indicas” oder „indica-dominante” Sorten sollen dazu neigen, den Konsumenten „stoned“ machen – den trägen Zustand, den die meisten beim Klischee des typischen Kiffers vor Augen haben (der aber in Wirklichkeit eher das Resultat einer bewussten Überdosierung ist). Insgesamt wird diesen Sorten also eine beruhigende oder sogar sedierende Wirkung nachgesagt. Der Konsum von „Sativas” oder „sativa-dominanten” Sorten hingegen soll den Konsumenten in ein „High“ verfrachten, einen geistig und teilweise auch körperlich angeregten Zustand.
Dazwischen gibt es noch eine unzählige Zahl an Hybriden, die durch Kreuzungen der beiden entstanden sind.
Wie schon angedeutet, gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass die klassische Einteilung in Sativa und Indica überholt ist. Womöglich bietet sie allerdings weiterhin eine – wenn auch sehr grobe – Orientierungshilfe. Unter diesem Vorbehalt listen wir die traditionelle Einordnung der Vollständigkeit halber auf:
„Sativa” bzw. „sativa-dominant“ | „Indica“ bzw. „indica-dominant“ | |
Wirkung | „High“ Anregend Geistig eher aktivierend Zum Teil auch stärker psychoaktiv | „Stoned“ Stark beruhigend Entspannend Körperbetont |
Eigenschaften | Hoher Wuchs Lange, schmale Blätter | Kleiner und kompakter Wuchs Breitere Blätter |
Auch an dieser Stelle scheint uns der Hinweis angebracht: die teils stark überzeichnete, cartoonhafte Darstellung der typischen Wirkungen („high”, „stoned”), wie man sie beispielsweise aus Filmen und Serien kennt, hat mit der Realität nicht viel gemein.
Schon seit Tausenden von Jahren nutzen wir Menschen den Hanf als Nutz- und Heilpflanze. Doch erst im 18. Jahrhundert begannen Forscher und Biologen, ihn zu klassifizieren – und ordneten ihn in Kategorien ein, die bis heute Relevanz haben.
So beschrieb der schwedische Naturforscher Carl von Linné 1753 erstmals die Hanfpflanze Cannabis sativa, also den „gewöhnlichen Hanf“. Knapp 30 Jahre später entdeckte der Franzose Jean-Baptiste de Lamarck eine Hanfsorte aus Indien und gab ihr den Namen Cannabis indica: den indischen Hanf.
Wie relevant ist diese Einordnung aus dem 18. Jahrhundert heute noch? Licht ins Dunkel könnten die Ergebnisse einer groß angelegten Studie bringen: Wissenschaftler sammelten dafür weltweit Proben von 110 verschiedensten Cannabissorten. Sie untersuchten deren gesamtes Erbgut, um sie zu ihren genetischen Ursprüngen zurückzuverfolgen.
Ihr Ergebnis: Es gibt zwar verschiedene Linien von Cannabis und Hanf – aber der Ursprung aller Cannabissorten liegt in der Cannabis sativa. Ein entscheidender Hinweis dafür, dass die Unterteilung in Sativa und Indica tatsächlich weniger Relevanz haben könnte als in der Vergangenheit angenommen. Stattdessen gewinnen bei der Einordnung von Cannabissorten zunehmend andere Faktoren an Bedeutung ...
Der harzige Geruch von Bäumen, der Duft von Orangenschalen oder eine duftende Blüte: Überall dort sind Terpene enthalten. Sie gehören zu den wichtigsten Bestandteilen ätherischer Öle und werden unter anderem in der Aromatherapie eingesetzt. Auch in der Cannabispflanze finden sich etwa 200 verschiedene Terpene.
Dabei sind Terpene gerade deshalb so potent, da sie aufgrund ihrer winzig kleinen Moleküle leichter die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Hinzu kommt, dass das Riechen evolutionsgeschichtlich vermutlich einer unserer ältesten Sinne ist – Terpene könnten also eine sehr unmittelbare Wirkung auf uns ausüben.
Man geht davon aus, dass die im Cannabis enthaltenen Terpene untereinander, aber auch im Zusammenspiel mit den Cannabinoiden gegenseitige Wechselwirkungen entfalten. Eine Menge komplexer Synergieeffekte also – von einigen auch als Entourage-Effekt bezeichnet.
Unter kultureller Benennung versteht man die laienhafte Einteilung von Cannabissorten in übergeordnete Cluster, zumeist Sativa und Indica. Sie ist weit verbreitet und wird etwa anhand der Form der Blätter, der Wuchsform oder gewisser Tendenzen in der Wirkung abgeleitet.
Dabei wäre eine chemische Einordnung deutlich sinnvoller. Der Vorschlag einiger Forscher:innen lautet daher, Cannabissorten nach ihrer chemischen Variabilität in sogenannte „Chemovare“ einzuteilen. Dabei würde die chemische Zusammensetzung – der chemische Fingerabdruck – als Grundlage der Bestimmung dienen.
Cannabispflanzen nicht rein äußerlich, sondern nach ihrem chemischen Profil einzuteilen, könnte die Einordnung leichter und die Wirkung ihrer Blüten leichter abschätzbar machen. Auch von der chemischen Analyse darf man sich allerdings nicht zu viel erhoffen: Jede Erfahrung mit Cannabis ist einzigartig, da zahlreiche andere Faktoren die Wirkung der Pflanze mitbeeinflussen können.
Nicht nur der Terpen- und Cannabinoidanteil sind entscheidend für den Effekt einer Blüte. Auch die Wuchsbedingungen der Pflanze spielen eine Rolle.
Diese werden unter anderem geprägt von::
Beim Konsum kann auch die Darreichungsform einen großen Unterschied machen, also ob die Blüte inhaliert oder als Extrakt eingenommen. Und dann wäre da natürlich noch das Setting, also die Umgebung, und das Set selbst. Unter Letzterem versteht man die psychischen und physischen Prädispositionen der Konsumenten sowie deren Erwartungen an den Konsum.
Die Einteilung in Indica und Sativa nach äußerlichen Merkmalen scheint überholt zu sein. Die chemische Bestimmung des Cannabinoid- und Terpenprofils könnte zu deutlich mehr Genauigkeit und Verlässlichkeit führen – solange man im Kopf behält, dass auch andere Faktoren die Wirkung beeinflussen können.
Dank eines chemischen Profils könnte man die Wirkung der einzelnen Sorten also womöglich besser einschätzen. Das könnte im medizinischen Kontext nicht nur die Wahl der passenden Cannabissorte erleichtern, sondern auch neue Potenziale erschließen.
Für das gewünschte Ergebnis kann es aber immer noch notwendig sein, ein wenig zu experimentieren. Erfahrene Ärzte oder Apotheker können dabei helfen, eine Vorauswahl zu treffen, um möglichst effektiv die passende Cannabissorte für eine bestimmte Indikation bzw. zur Linderung eines bestimmten Symptoms zu finden.
Quellen:
Pressemitteilung der Dalhousie University: Botanists conduct first large‑scale genetic study of marijuana, hemp
Studie in „Cannabis and Cannabinoid Research“: Cannabis: From Cultivar to Chemovar II—A Metabolomics Approach to Cannabis Classification (Hazekamp A, Tejkalova´ K, Papadimitriou S, 2016)
Interview in „Cannabis and Cannabinoid Research“ mit Dr. Ethan Russo: The Cannabis sativa Versus Cannabis indica Debate: An Interview with Ethan Russo, MDStudie in „Science Advances“: Large-scale whole-genome resequencing unravels the domestication history of Cannabis sativa (Ren, Zhang et al., 2021)
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